Energiegesetz eine «Operation am offenen Herzen»
HENGGART Das Polit-Dinner der SVP Bezirk Andelfingen war gut besucht. Kantonsrat Paul von Euw referierte über den Mantelerlass zur Stromversorgung – und zeigte sich überzeugt, dass die Kernenergie wieder auf den Tisch kommt.
Am 9. Juni stimmt die Schweizer Stimmbevölkerung über den sogenannten Mantelerlass ab. Mit diesem Bundesgesetz soll die Stromversorgung im Inland mit erneuerbarer Energie sichergestellt werden. Einer, der dieser Vorlage kritisch gegenübersteht, ist Paul von Euw. Der SVP-Kantonsrat aus Bauma gehört der kantonalen Energiekommission an, ist selbständiger Energiefachmann und war vergangene Woche am Polit-Dinner der Andelfinger Bezirkspartei als Referent zu Gast. «Unter dem Mantelerlass stecken mit dem Energie-, Versorgungs-, Raumplanungs- und Waldgesetz gleich vier Gesetze, die angepasst werden müssten», sagte er. Bei der Vorlage müsse deshalb genau hingeschaut werden. Wenn es um Strom und Energie gehe, würden viele mitreden, doch oftmals fehle das nötige Fachwissen, um die komplizierten Zusammenhänge zu verstehen. Strom sei eine Energie, die den Puls angebe. Er müsse dann produziert werden und verfügbar sein, wenn man ihn brauche. Eine sichere Versorgung sei daher sehr anspruchsvoll – insbesondere vor dem Hintergrund aktueller Kriege.
«Kopfloser Ausstieg»
Rückblickend als grossen Fehler bezeichnete Paul von Euw den «kopflosen und übereilten» Ausstieg der Schweiz aus der Kernenergie im Frühling 2011. «Mühleberg mit einer Leistung von 375 Megawatt haben wir stillgelegt und jetzt in Birr ein Ersatzwerk mit einer Leistung von 250 Megawatt gebaut, das beim Notbetrieb pro Stunde 70 000 Liter Heizöl benötigt.»
Am vorliegenden Mantelpaket sei nicht alles schlecht, der Tösstaler bezeichnete viele Massnahmen aber als «Operation am offenen Herzen». Er sehe die Schwachpunkte bei den flexiblen Stromtarifen und bei der gegenseitigen Energieverrechnung im virtuellen Bereich ohne Elektrizitätswerk. «Aber die wichtigsten volkswirtschaftlich einschneidenden Punkte gegenüber dem Energiegesetz 2016 sind noch verschlechtert worden.»
Steigende Kosten
Paul von Euw beschrieb eine Diskrepanz zwischen der Stromnachfrage und dem Angebot. Durch den Ersatz von Öl-und Gasheizungen durch Wärmepumpen, die E-Mobilität und die Zuwanderung werde immer mehr elektrische Energie verbraucht, während gleichzeitig der Ausstieg aus der Kernenergie zu einer massiv geringeren Produktion führe. Die Strategie des Bundes sehe vor, bis . 2050 vor allem Wind- und Solarstrom stark auszubauen. Gleichzeitig werde man auf grosse Importmengen angewiesen sein, so der SVP-Kantonsrat. Dabei könne die Bevölkerung kaum mitreden. «Beim Bau einer Windkraftanlage erteilt der Kanton sämtliche kantonalen und kommunalen Bewilligungen», sagte er. Auch ein teurer Netzausbau werde nötig, der rund 45 Milliarden Franken koste. Schon bei früheren Energiegesetzen habe die SVP vor massiven Kostensteigerungen gewarnt. «Die damals von Bundesrätin Doris Leuthard bezifferten Mehrkosten von 40 Franken liegen nun bereits bei 500 bis 1000 Franken pro Haushaltung», so Paul von Euw.
Die Rückkehr der Kernkraft
Trotz aller Massnahmen nehme die Auslandabhängigkeit der Schweiz zu. In den Nachbarstaaten sehe es ähnlich aus, wenn es um die Energieversorgung im Winter gehe. Einige würden handeln: «Ausser der Schweiz Deutschland und Österreich setzen nun wieder 16 europäische Staaten, angeführt von Frankreich, auf die neuste Generation der Kernenergie», sagte der Referent. Auch er sieht die sichere Versorgung der Zukunft in leistungsfähigen und eher kleinen Kraftwerken. «Koreanische Technologie könnte unsere radioaktiven Abfälle viel effizienter noch während vielen Jahrzehnten nutzen.»
Der Mantelerlass sei ein Gesetz, an das nicht einmal die Mitte-Links-Politikerinnen und -Politiker glauben würden, ist Paul von Euw überzeugt. Die Versorgungssicherheit werde nicht gewährleistet, die Abhängigkeit vom Ausland bleibe bestehen und die Strompreise würden ansteigen. Die Vorlage sei «in höchstem Masse undemokratisch», so sein Fazit. (romü)